Sexualität ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis und spielt lebenslang eine bedeutende Rolle. Wenn sich der Körper, die Partnerschaft oder die Wohnsituation verändert, sind offene Kommunikation und neue Wege wichtig.
Wir Menschen sind sexuelle Wesen, Sexualität ist uns von Natur aus angeboren. Sie beginnt im Mutterleib, wenn der Fötus seinen Körper entdeckt und lernt, was ihm guttut. Und sie endet erst mit dem letzten Atemzug.
Dabei unterscheiden wir zwei Formen: Die eine ist die auf das „Ich“ bezogene Sexualität der Lust. Im Zentrum steht das eigene Erleben: Was fühle ich, was möchte und benötige ich? Die andere Form ist die Sexualität des „Wir“, bei der es um Zugehörigkeit geht und darum, was wir gemeinsam erleben. Eine erfüllende Sexualität setzt sich im besten Fall, wenn möglich, aus beiden Aspekten zusammen.
Sexualität ist jedoch weit mehr als Geschlechtsverkehr. Sie schliesst Nähe, Geborgenheit und Zuwendung ein und das Gefühl, angenommen zu sein. Einander halten, streicheln und küssen gehört ebenso dazu wie sich verstanden fühlen. Diese Bedürfnisse bleiben ein Leben lang bestehen, wobei je nach Lebensphase unterschiedliche Elemente wichtig sein können.
Ständige Veränderungen
Wie unser Körper verändert sich auch unsere Sexualität ständig. Von der Pubertät bis ins hohe Alter müssen wir uns deshalb immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen. Um Partnerschaft und Sexualität lebendig zu erhalten, braucht es Zeit, Geduld, Offenheit und die Bereitschaft, neue Wege zu suchen. Denn Sexualität wird nicht einmal „erlernt“ und dann ein Leben lang gleich praktiziert. Oft geschieht es jedoch, dass jemand die Sexualität gleich ganz aufgibt, wenn es im Bett nicht mehr so klappt wie früher.
Wenn die strengen Jahre in Beruf und Familie hinter einem liegen und die Wechseljahre – die beide Geschlechter durchlaufen – vorbei sind, fällt viel Druck weg und man hat wieder mehr Zeit zu zweit. Deshalb leben und erfahren Menschen über 65 ihre Sexualität oft so intensiv wie vorher nie. Allerdings überlegen sich in dieser Zeit auch viele, ob sie angesichts der Lebenserwartung wirklich nochmals so viele Jahre mit demselben Partner zusammenleben wollen. Scheidungen nach der Pensionierung und ein Neuanfang im höheren Alter kommen immer häufiger vor.
Wie eine Trennung verändern auch Krankheiten, Pflegebedürftigkeit, der Tod des Partners oder der Partnerin sowie der Umzug in ein Alters- oder Pflegeheim nicht nur unsere Lebenssituation, sondern auch unsere Sexualität. Bei einer Pflegebedürftigkeit beobachte ich oft, dass der Partner oder die Partnerin automatisch die Pflege übernimmt. Ob dies für die Betroffenen stimmt, wird gar nicht besprochen. Denn viele verstehen dies als ihre Pflicht und als Liebesdienst – oft bis zur physischen oder psychischen Erschöpfung. Paaren sollte bewusst sein, dass diese neuen Rollen ihre Beziehung und Sexualität beeinflussen können. Deshalb empfehle ich, dass externe Fachkräfte wie die Spitex die intime Pflege übernehmen. Dadurch können sich die Partner wieder auf die Besonderheiten der Intimität, der Sexualität und der Persönlichkeit einlassen und wieder zueinander finden.
Sexualität im Heim
Während man in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus unabhängig wohnt, hat man im Alters- und Pflegeheim plötzlich nur noch ein Zimmer zur Verfügung. Dies und der stets mögliche Zugang des Personals verändern das Erleben und Ausleben der sexuellen Bedürfnisse. Dem Pflegepersonal muss bewusst sein, dass das Zimmer das Zuhause der Bewohnerinnen und Bewohner ist und an der Tür deren Privat- und Intimsphäre beginnt.
Zügelt jemand in eine Institution, übernehmen meist auch Angehörige mehr Verantwortung und Entscheidungen. Plötzlich reden die erwachsenen Kinder in Bereichen wie der Sexualität mit, in denen die Eltern vorher autonom waren. Angehörigen fehlen oft das Wissen und das Verständnis, dass sexuelle Bedürfnisse auch im Alter bestehen. Und dass Menschen allen Alters diesbezüglich die gleichen Rechte haben. Weil Sexualität im Alter in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu ist, haben jüngere oft Mühe, wenn ältere Menschen ihre sexuellen Bedürfnisse genauso selbstverständlich ausleben wie sie selbst.
In meinen Schulungen und Beratungen beobachte ich immer wieder, dass sowohl Angehörige als auch Pflegeheime noch nicht ausreichend für die sexuellen Bedürfnisse älterer Menschen sensibilisiert sind. Das Personal ist zudem oft diesbezüglich unzureichend ausgebildet oder es fehlt an Achtsamkeit, um sexuelle Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.
Es ist deshalb wichtig, dass Altersinstitutionen Anlaufstellen für sexuelle Belange bieten, an die sich sowohl das Personal als auch Angehörige und Bewohnerinnen und Bewohner vertrauensvoll wenden können. Ich stelle oft in Heimen fest, dass Aktivitäten angeboten werden, bei denen Bewohner und Bewohnerinnen nicht abgeholt werden können, obwohl Sexualität, Berührungen und Zärtlichkeiten noch wichtige Bedürfnisse sind. Leider wird zum Thema Sexualität in solchen Fällen kaum etwas geboten. Andererseits trauen sich Bewohnerinnen und Bewohner oft nicht, sich über ihre sexuellen Bedürfnisse zu äussern, obwohl diese ihren Alltag stark beeinflussen können.
Wenn Grenzen überschritten werden
Wem Sexualität in jungen Jahren wichtig war, bei dem bleibt das meist auch im Alter so – und umgekehrt. Allerdings können Krankheiten oder bestimmte Medikamente, wie etwa solche gegen Parkinson, die sexuellen Bedürfnisse verstärken. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass Betroffene sehr aktiv, enthemmt oder sogar übergriffig werden. Solche Verhaltensweisen können Pflegekräfte oder Mitbewohner traumatisieren und stellen Straftaten dar, die unter keinen Umständen geduldet werden dürfen.
In meinen Beratungen zeige ich auf, wie man solche Bedürfnisse frühzeitig erkennen und angemessen darauf reagieren kann, bevor es zu sexualisierter Gewalt kommt. Sexuelle Übergriffe oder Belästigungen seitens der Bewohnenden passieren in der Regel nicht einfach so, sondern stellen oft einen Prozess dar, der sich aufstaut. Daher sind Möglichkeiten wichtig, die eigenen Bedürfnisse in Würde auszuleben, ohne anderen zu schaden.
Berührerinnen und Sexualassistenzen in Heimen können beispielsweise dabei helfen, den eigenen Körper wieder neu zu entdecken. Schon einfache Berührungen wie Umarmen und Halten können beim Gegenüber viel auslösen – dies sollte nicht unterschätzt werden. Ein Heim in Dänemark hat zudem die Erfahrung gemacht, dass Belästigungen signifikant zurückgingen, als sie erotische Filme aus früheren Zeiten zeigten.
Für die Zukunft bin ich gespannt, wie die Heime mit den neuen Generationen umgehen, die auf sie zukommen. Menschen, die die Hippiezeit mit freier Liebe erlebt haben. Menschen, die offen zu ihrer sexuellen Orientierung stehen. Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen. Ich hoffe, man wird offener über das Thema sprechen, sodass Sexualität in Alters- und Pflegeheimen selbstbestimmt und würdevoll gelebt werden kann.
Es liegt mir sehr am Herzen, das Thema Sexualität im Alter offen zu behandeln. Trotz vorhandener Hemmungen zeigt meine Erfahrung, dass ein großes Interesse an diesem Thema besteht, sobald entsprechende Angebote vorhanden sind – unabhängig vom Alter.
Bücher
- Make More Love von Ann Marlene Henning
- Vom Himmel auf Erden von Christoph Joseph Ahlers
- Slow Sex / von Diana Richardson
- Tantra; Die Kunst der sexuellen Ekstase von Margot Anand
- SkyDancing Tantra / von Margot Anand
- Beckenbodentraining / auch für Männer geeignet
- Kundalini Joga / das innere Feuer wecken
- Sexological Bodywork
Filme
- Anfang 80- für junge Liebe ist es nie zu spät
- Wolke 9
- Wie ein einziger Tag
- Eis am Stiel
- Porky`s
- La Boum
- Und immer lockt das Weib
- Josefine Mutzenbacher
- Das Lustschloss im Spessart
- Emmanuelle
- 9 1/2 Wochen
Spiele, Tests und Berührungen in der Achtsamkeit
1. Schon ein gemeinsamer Moment von nur 10 Minuten kann Wunder bewirken
Umarmen und Kuscheln
Die Herzfrequenzen beider Partner synchronisieren sich, und das Nervensystem kommt zur Ruhe. Eine solche Verbindung fördert tiefere Entspannung und stärkt das Miteinander.
Sensibilität und Achtsamkeit für den eigenen Körper und den des anderen intensivieren nicht nur die Intimität, sondern auch die Lust.
2. Sexualität lebt von Veränderung!
Neue Impulse und Offenheit beleben sie, während Routine ihr oft die Lebendigkeit nimmt, da diese wenig Raum für Aufmerksamkeit lässt.
3. Kommunikation ist der Schlüssel!
Es ist wichtig, klar zu kommunizieren, was man möchte und was nicht, um ein echtes Miteinander zu schaffen. Sich dem Spiel von Geben und Empfangen hinzugeben – ohne Druck oder Ziel – öffnet neue Dimensionen der Nähe.
Unterschiedliche Berührungsarten haben unterschiedliche Wirkungen: Kräftiges Streicheln regt an und aktiviert den Körper, während sanfte, achtsame Berührungen Hingabe und das bewusste Erleben von Sinnesreizen fördern.
4. In der Intimität geht es nicht darum, ein Ziel zu erreichen!
Es geht darum, präsent zu sein und den Moment gemeinsam zu erleben. Sich Zeit füreinander zu nehmen, ist essenziell. Gehen Berührungen im Alltag verloren, kann es helfen, feste Verabredungen zu treffen – ein bewusstes „Date“ nur für Zweisamkeit und Nähe. Klare Absprachen darüber, was man sich wünscht oder vermeiden möchte, schaffen Vertrauen und Verbindlichkeit.
5. Auch kleine Veränderungen haben oft eine große Wirkung – Das 3-Minuten-Spiel
Ein einfaches Experiment, wie das achtsame Berühren eines Arms mit gekreuzten Händen, kann die Wahrnehmung intensivieren und das Bewusstsein schärfen. In einem kurzen, spielerischen Ritual von drei Minuten können die Rollen von Gebendem und Empfangendem bewusst erlebt werden.
6. Es geht nicht um ein Endergebnis!
Der Fokus liegt nicht auf dem Abschluss, sondern auf dem gemeinsamen Verweilen, der Zweisamkeit und der Achtsamkeit füreinander. Intime Berührungen ohne Absicht – ohne den Druck, etwas erreichen zu müssen – können die Erfahrung vom Tun ins Sein verwandeln.
Mit den Jahren und wachsender Erfahrung verändert sich Sexualität oft positiv. Man lernt sich selbst und den eigenen Körper besser kennen, erkennt klarer, was einem gefällt und was nicht, und entwickelt ein tieferes Verständnis für den Partner. Körpersprache ist die ursprünglichste Form der Kommunikation – sie spricht, bevor Worte entstehen, und bleibt bis zum Schluss die Sprache, die verbindet.
Zwiegespräch
So kann die Beziehung verbessert werden
Wieder lernen, zuzuhören (ev. Zeit abmachen):
Sich darauf konzentrieren, den anderen wirklich zu verstehen.
Klare Kommunikation:
Was möchte ich? Was möchte ich nicht? Dies deutlich und respektvoll ausdrücken.
Sich besser kennenlernen:
Es kann bereichernd sein, am Abend darüber zu sprechen, was einem gefallen hat. Zu teilen, was einen berührt hat, stärkt die Verbindung.
Körpersprache:
Sie ist die erste und letzte Form der Kommunikation – oft sagt sie mehr als Worte.
Neue Fragestellungen ergeben sich…
- Gesundheit
- Soziales Umfeld
- Lebensansichten
- Bin ich noch glücklich
- Zukunftsperspektiven
- Beziehung
- Stress
- Sexualität